Schon ein Blick auf das Cover ließ mich erkennen, dass dieses Buch mir einige Antworten geben könnte.
Ich
bin Jahrgang 1969 und somit weit entfernt vom Nationalsozialismus.
Ich kenne diese Zeit nur aus Erzählungen oder Dokumentationen. Die
allgegenwärtige Frage aber nach dem: „Wie konnte das passieren?
Warum haben da so viele Menschen mitgemacht? Und wie geht es den
Überlebenden der Gräueltaten?“ ist
trotzdem sehr präsent in meinem Leben.
Ich
hatte noch nie etwas von Spiegelgrund
gehört.
In diesem Buch öffnete sich mir ein völlig neuer Blick auf das
Erlebte in den Jahren 1941-1945 und auf die Zeit danach. Als
Grundlage dieser fiktiven Geschichte, diente die Biographie von Friedrich Zawrel. Ein Mann, der mich heute - 73 Jahre später - weinen lässt und
dem ich meine tiefste Anerkennung ausspreche - stellvertretend für
so viele Opfer dieser Zeit.
Auch
wenn mir diese Rezension schwer fallen wird, weil mir oft die Worte
fehlen, will ich meine Gedanken nicht unausgesprochen lassen. Vor
allem in der heutigen, schnelllebigen Zeit, der Zeit des Vergessens,
der Ignoranz und der fehlenden Empathie, ist es wichtig, auf solche
Werke aufmerksam zu machen.
Die
Erwählten
Preis:
14,00 Euro
Taschenbuch;
525 Seiten
Genre:
historischer Roman
Inhalt:
Adrian
Dobrosch-Ziegler ist elf Jahre alt, als er das erste Mal nach
Spiegelgrund kommt.
Offiziell ist dieser Ort ein Erziehungsheim und eine
Nervenheilanstalt für Kinder, inoffiziell ein Euthanasie-Zentrum und
Versuchslabor der Nationalsozialisten.
Zweimal
gelingt ihm die Flucht, doch auch die Freiheit verspricht grausam zu
sein.
Wie viel kann eine Kinderseele aushalten?
Wie viel kann eine Kinderseele aushalten?
Meine
Meinung:
Ich
hatte vorher noch nie etwas von der Klinik Am Spiegelgrund
gehört, doch die ersten Seiten
klärten mich schon über die Hintergründe dieser Klinik auf.
Das
Buch handelte von dem elfjährigem Adrian Dobrosch, später Ziegler.
Gezeigt wurde eine Arbeiterfamilie, die ums Überleben kämpfte.
Vater Alkoholiker, Mutter Arbeiterin, die ihre ganze Familie, nebst
Brüder versorgte. Unter ihnen auch ein leicht zurückgebliebener
Onkel. Aus dieser Familie wurde Adrian und zwei seiner Geschwister
gerissen und in Pflegefamilien gesteckt. Ich fand es erschreckend,
wie einfach das zu dieser Zeit wohl war. Adrian war das
Paradebeispiel eines „unerwünschten Kindes“.
Es dauerte nicht lange, bis Adrian in die Klinik Am Spiegelgrund kam und damit ein langer Leidensweg begann.
Es dauerte nicht lange, bis Adrian in die Klinik Am Spiegelgrund kam und damit ein langer Leidensweg begann.
Mit
jeder nun folgenden Seite wurde das Buch und auch ich immer leiser.
Es vermittelte mir den Eindruck, dass erst ein Kind, dann ein
Jugendlicher und schließlich ein erwachsener Mann vor mir saß und
mir seine Geschichte erzählte. Sem-Sandberg verstand es auf
hervorragende Weise, mich in die Tiefen einer Kinderseele
mitzunehmen.
Niemals stellte ich mir die Frage, wie Adrian diese Zeit überstand, denn manche Ausführungen waren verwirrend, aber dabei derart fantasievoll erzählt, dass ich ein genaues Bild davon bekam, in welche Welt sich Adrian flüchtete. Tragisch waren die Geschehnisse, die nebenbei liefen, von kranken Kindern, über deren Behandlung und schließlich bis zu einem Selbstmord.
Zusammen mit Adrian durchlebte ich all die Gräueltaten, die man nicht einmal seinem ärgsten Feind wünscht. Selbst nach Ende des Krieges war kein Lichtblick in Sicht.
Niemals stellte ich mir die Frage, wie Adrian diese Zeit überstand, denn manche Ausführungen waren verwirrend, aber dabei derart fantasievoll erzählt, dass ich ein genaues Bild davon bekam, in welche Welt sich Adrian flüchtete. Tragisch waren die Geschehnisse, die nebenbei liefen, von kranken Kindern, über deren Behandlung und schließlich bis zu einem Selbstmord.
Zusammen mit Adrian durchlebte ich all die Gräueltaten, die man nicht einmal seinem ärgsten Feind wünscht. Selbst nach Ende des Krieges war kein Lichtblick in Sicht.
Doch
ich bekam auch einen Einblick in das Leben und der Gedankenwelt der
Ärzte und der Schwestern. Auf meine Frage: „Warum
nur haben sie so viele schreckliche Dinge getan?“ bekam
ich eine hervorragende, nachvollziehbare, wenn auch nicht akzeptable
Antwort.
Schließlich
ließ der Autor mich an gerichtlichen Prozessen teilnehmen und an dem
Leben des Adrian Ziegler danach.
Diese
vielen Bilder und Eindrücke sind mit soviel Lebendigkeit und
Leidenschaft geschrieben, dass ich sie wohl nie wieder vergessen
werde.
Ein
Buch, das mich zu Tränen rührte.
Fazit:
Ein
Buch, dessen Tiefen nicht schwärzer sein könnten.
Sem-Sandberg
erzählt hier die Geschichte eines Jungen und einer Krankenschwester,
die nicht unterschiedlicher sein könnten. Still und leise erlebt man
hier viele Jahre des Leidens, der Angst und des Kampfes um das blanke
Überleben.
Ich
empfehle es allen Lesern, die sich wie ich nicht damit abfinden
wollen, dass das alles doch längst der Vergangenheit angehört. Denn
wir sollten niemals die Folgen von Fremdenhass, fehlender Empathie
und Ignoranz vergessen.
Dieses
Buch war wohl das schwerste und bewegendste Buch, welches ich in den
letzten Jahren gelesen habe.
5
von 5 Sternen
*****
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