Freitag, 10. Mai 2019

Markus Zusak - "Die Bücherdiebin" - Ein Vergleich zwischen Buch und Film


 Als ich mir dieses Buch aus der Bibliothek ausgeliehen habe, wusste ich nicht, dass es bereits mehrere Auszeichnungen (unter anderem den Jugendliteraturpreis) bekommen hat. Mich hat der Titel und das Cover überzeugt. Es war wie für mich geschaffen. ;-)
Erst später erfuhr ich dann, dass das Buch ebenfalls verfilmt wurde. Zu diesem Zeitpunkt war mir aber noch nicht klar, dass ich auch den Film schauen würde.
Diese Rezension wird also etwas anders, da ich hier nicht nur das Buch beurteile, sondern auch noch Vergleiche zwischen Buch und Film ziehe.

Ich bin gespannt, ob ich dich für eines der beiden Medien überzeugen kann.





Buch:

Markus Zusak
Die Bücherdiebin
cbj Verlag; 01.2015
Taschenbuch; 592 Seiten
Preis: 9,99 Euro
Genre: Drama mit historischem Hintergrund


Inhalt:


Die Wirren des Nationalsozialismus haben um sich geschlagen. Liesel wächst in dieser Zeit mit ihrem kleinen Bruder Werner bei der Mutter auf. Doch durch Hunger und Krankheit ist sie gezwungen, ihre Kinder zu Pflegeeltern zu geben. Auf der Reise dorthin verstirbt Werner und das einzige, was Liesel von ihm bleibt, ist ein gestohlenes Buch von seiner Beerdigung.
Das Handbuch für Totengräber eröffnet Liesel eine Tür in ein neues Leben vieler Worte geprägt von Liebe, Hass, Hoffnung, Angst, Trauer und Leid.
Kann eine Kinderseele all das ertragen?


Meine Meinung:


Anfangs war ich etwas verwirrt. So prophezeite mir der Erzähler, dass wir alle sterben werden. Schockiert und doch erstaunt über diese Art, ein Buch zu beginnen, hatte mich der Erzähler in seinen Fängen. Es dauerte etwas, bis ich begriff, dass es sich bei dem Erzähler um den Tod selbst handelt. Er erzählte von diesem kleinen Mädchen, Liesel Meminger, dem er seine Aufmerksamkeit schenkt. Ist es nicht normalerweise so, dass wenn man dem Tod begegnet, die Zeit des Gehens gekommen ist?
Nun hier war es anders und genau das macht das Buch aus. Er begleitet sie durch ihr Leben, beobachtet sie und lässt mich als Leser an ihrem Leben teilhaben. Aber wann genau ist denn nun der Moment gekommen, an dem er sie mit in sein Reich nimmt?
Diese Frage stellte ich mir fortwährend und so war durchweg eine Spannung präsent.

Das Kuriose an dem Buch war, dass mich der Tod an seiner Arbeit teilnehmen ließ. Wie es für ihn war, die verstorbenen Seelen abzuholen. Er schien dabei etwas überfordert. Man bedenke, es war die Zeit des Nationalsozialismus. Unsagbar viele Menschen starben zu dieser Zeit. Heute würde man sagen, er hatte wohl ein Bourne Out...
Diese kleine humoristische Spitze ist eine perfekte Überleitung, um auch die lustige und sarkastische Seite des Buches zu beleuchten, die mich jedoch zeitweise etwas abschreckte.
Es war aber zu jeder Zeit deutlich, dass er Hitler, dessen Machenschaften und Handlanger verachtet und das wiederum gefiel mir sehr gut.

Der Autor schaffte es auch, auf wundersame Weise das kindliche Gemüt und die Naivität der kleinen Liesel einzufangen. Die immer wiederkehrende Frage nach dem „Warum?“ beantwortet er uns nicht, aber die Frage nach dem „Wie?“ dafür sehr bildlich und detailliert. So vollzog Liesel eine Entwicklung, die man keinem Kind wünscht. Die Realität des Krieges, des Rassenhasses und der Ideologie holten sie ein. Liesel verarbeitet das alles, indem sie sich in Bücher und somit in Worten flüchtet. Eine schöne Stelle ist diese, als sie all die gesagten Worte anzweifelt und deren Sinn in Frage stellt. Es war ein ergreifender Moment als Dinge, die ihr bisher Trost gaben, nun zu etwas Bösem wurden.
Es waren aber die Worte, die ihr bei einem Bombenangriff das Leben rettetet, während viele andere geliebte Menschen gehen mussten. Und wieder schaute der Tod auf sie und man konnte sogar Mitleid seinerseits erlesen. Erwartet man so etwas? Wohl kaum.

Aber der Tag des Abschiedes vom Leben sollte auch für Liesel irgendwann kommen und der Autor machte daraus ein Treffen zwischen Freunden, die sich nun endlich gegenüberstanden. Sie beide unterhielten sich und der Tod hatte ein Geschenk für Liesel, das er für sie in Gewahrsam genommen hatte. Auch hier wurden meine Emotionen noch einmal tief angesprochen.


Fazit:


Auch wenn es sich hierbei um ein Buch aus der Jugendliteratur handelt, sollte der Leser bereits eine gewisse Reife haben.
Ich denke, dass dieses Buch noch in so mancher Deutschstunde auftauchen wird und einige Kinder sich mit Interpretationen herumschlagen müssen. Auch die Welt der Literaturwissenschaftler wird seine Freude daran haben.

Sollten wir 'normalen Menschen' dieses Buch lesen?
Ja, denn auch wenn ich schon einige Bücher über den Nationalsozialismus gelesen habe, so konnte ich aus diesem Buch noch einmal viele weitere Details heraus lesen, die direkt an der Basis passiert sind und das aus einem außergewöhnlichem Blickwinkel.

Von mir bekommt es 4 von 5 Sternen. Den letzten Stern vergebe ich nicht, da mir an einigen Stellen die Emotionen gefehlt haben und schreckliche Ereignisse nur am Rand erzählt wurden. Aber schließlich war der Tod der Erzähler. Was erwarte ich denn? ;-)
****


Und nun zum Film:


Wenn es sich ergibt und ein Buch verfilmt wird, nehme ich die Gelegenheit wahr und genieße beides.
So war es schon im Der Vorleser von Bernhard Schlink (Kate Winslet in der Rolle der pädophilen KZ-Aufseherin war einfach hervorragend.) oder in Der große Gatsby von F. Scott Fitzgerald (Leonardo Di Caprio glänzt hier in einer Paraderolle. Buch und Film liegen sehr nah beieinander. Meiner Meinung nach hätte Leo dafür schon einen Oskar verdient.), aber auch bei Shades of Grey von E.L .James (Ein einfach nur ein schlecht recherchiertes Buch und der blanke Hohn für die moderne, selbstbewusste Frau. Jamie Dornan gleicht mehr einem Roboter als einem feurigem Liebhaber.).

Aber heute geht es ja um die Bücherdiebin. :-)

Mit Sophie Nèlisse als Liesel Meminger haben sie ja das perfekte, kleine, arische Mädchen gefunden. Große, blaue Augen umrandet von blondem Haar schauen mir aus dem Fernseher entgegen. Auch Nico Liersch in der Rolle des Rudi Steiner ist wunderbar besetzt.

Sophie überzeugte mich mit ihrem schauspielerischem Talent. Ich sehe noch immer die Szene, wie sie voller Inbrunst im Kinderchor der HJ mitsingt.
Ich sehe ebenfalls Nico als den Bengel der Zeit, wie er als Jesse Owens die Bahn entlangsprintet oder sich beim Fußball auf der Straße mit den Kameraden misst. Sehr gut gespielt.

Der deutschen Erzählerstimme (der Tod) Ben Becker hingegen fehlte etwas. Ich mag seine Stimme, aber in diesem Augenblick hatte es etwas von dem Opa, der seinem Kind eine Weihnachtsmärchen erzählt. Ich denke, das entspricht nicht dem gewünschten Effekt.

Der Film war so wie so eher romantisch gehalten. So wurde die vulgäre Ausdrucksweise der Rosa Hubermann verharmlost. Auch sah man sie nie, wie sie Liesel mit dem Kochlöffel eine Watschen (Abreibung/ Züchtigung) gab. Oder wie sie Liesel dazu nötigte, bei den Nachbarn die Wäsche zu holen und dabei den Sack ja ordentlich zu tragen. Auch hat Rosa Liesel im Buch niemals in den Arm genommen. Solche Zugeständnisse hat sie nicht gemacht, wo sie doch stets und ständig damit beschäftigt war, die Menschen um sich herum zu beschimpfen. Hier wollte der Regisseur wohl ihr ganz tief verstecktes Herz zum Ausdruck bringen.

Hans Hubermann hingegen wurde ganz gut dargestellt. Der Pflegevater, der sich von Anfang an rührend um Liesel kümmert. Leider hat man auch hier nicht gesehen, wie sie allabendlich aus Alpträumen hochschreckt und er nächtelang an ihrem Bett verbracht hat. Die Mitternachtsschule fiel gänzlich unter den Tisch. Zwar sah man als Zuschauer, wie er ihr das Lesen beibringt, doch die Umstände wurden nicht behandelt. Störend (wenn auch nur ein kleines Detail) fand ich, dass Hans im Film für Liesel eine Kreidetafel im Keller geschaffen hatte. Im Buch hat er die Wände nur weiß übermalt. Sie hatten ja damals nichts anderes.

Nun aber der größte Affront: Die Straßenschilder, Ladenschilder und auch Plakate waren in deutscher Sprache. Die Bücher, die Liesel aber las, waren englische. :-O Meine Güte, da ist ihnen aber ein gewaltiger Fehler unterlaufen.

Weiterhin habe ich mich noch über die Abschlussszene von Liesel und Rudi geärgert. Da drückte der Regisseur noch einmal auf die Tränendrüse. Das war aber völlig unnötig, weil das Geschehen an sich schon schrecklich genug war.

Zu guter Letzt beendet Ben Becker als Erzähler den Film.

Fazit:

Bitte liebe Schüler, der Film hat nur wenig von dem Buch. Ihr bekommt dort nicht die Aussagen, die ihr für eure Interpretation braucht.
An alle anderen: Finger weg vom Film, Hände hin zum Buch. :-)

2 Kommentare:

  1. Hallo liebe Heike, was für eine tolle Gegenüberstellung. Ich habe mir das Buch vor kurzen gekauft. Die Erzählperspektive war da der ausschlaggebende Punkt. Ich bin sehr gespannt auf das Buch, ob ich mir den Film anschauen werde, weiß ich allerdings nicht.
    Ganz liebe Grüße
    Mimi

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  2. Es freut mich, dass sie dir gefällt.
    Ich bin gespannt, ob dir das Buch zusagt. Den Film kannst du dir ruhig ersparen ;-)

    Liebe Grüße Heike

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