Als
ich mir dieses Buch aus der Bibliothek ausgeliehen habe, wusste ich
nicht, dass es bereits mehrere Auszeichnungen (unter anderem den
Jugendliteraturpreis) bekommen hat. Mich hat der Titel und das Cover
überzeugt. Es war wie für mich geschaffen. ;-)
Erst
später erfuhr ich dann, dass das Buch ebenfalls verfilmt wurde. Zu
diesem Zeitpunkt war mir aber noch nicht klar, dass ich auch den Film
schauen würde.
Diese
Rezension wird also etwas anders, da ich hier nicht nur das Buch
beurteile, sondern auch noch Vergleiche zwischen Buch und Film ziehe.
Ich
bin gespannt, ob ich dich für eines der beiden Medien überzeugen
kann.
Die
Bücherdiebin
cbj
Verlag; 01.2015
Taschenbuch;
592 Seiten
Preis:
9,99 Euro
Genre:
Drama mit historischem Hintergrund
Inhalt:
Die
Wirren des Nationalsozialismus haben um sich geschlagen. Liesel
wächst in dieser Zeit mit ihrem kleinen Bruder Werner bei der
Mutter auf. Doch durch Hunger und Krankheit ist sie gezwungen, ihre
Kinder zu Pflegeeltern zu geben. Auf der Reise dorthin verstirbt
Werner und das einzige, was Liesel von ihm bleibt, ist ein
gestohlenes Buch von seiner Beerdigung.
Das
Handbuch für Totengräber
eröffnet Liesel eine Tür in ein neues Leben vieler Worte geprägt
von Liebe, Hass, Hoffnung, Angst, Trauer und Leid.
Kann
eine Kinderseele all das ertragen?
Meine
Meinung:
Anfangs
war ich etwas verwirrt. So prophezeite mir der Erzähler, dass wir
alle sterben werden. Schockiert und doch erstaunt über diese Art,
ein Buch zu beginnen, hatte mich der Erzähler in seinen Fängen. Es
dauerte etwas, bis ich begriff, dass es sich bei dem Erzähler um den
Tod selbst handelt. Er erzählte von diesem kleinen Mädchen, Liesel
Meminger, dem er seine Aufmerksamkeit schenkt. Ist es nicht
normalerweise so, dass wenn man dem Tod begegnet, die Zeit des Gehens
gekommen ist?
Nun
hier war es anders und genau das macht das Buch aus. Er begleitet sie
durch ihr Leben, beobachtet sie und lässt mich als Leser an ihrem
Leben teilhaben. Aber wann genau ist denn nun der Moment gekommen, an
dem er sie mit in sein Reich nimmt?
Diese
Frage stellte ich mir fortwährend und so war durchweg eine Spannung
präsent.
Das
Kuriose an dem Buch war, dass mich der Tod an seiner Arbeit
teilnehmen ließ. Wie es für ihn war, die verstorbenen Seelen
abzuholen. Er schien dabei etwas überfordert. Man bedenke, es war
die Zeit des Nationalsozialismus. Unsagbar viele Menschen starben zu
dieser Zeit. Heute würde man sagen, er hatte wohl ein Bourne
Out...
Diese kleine humoristische Spitze ist eine perfekte
Überleitung, um auch die lustige und sarkastische Seite des Buches
zu beleuchten, die mich jedoch zeitweise etwas abschreckte.
Es war
aber zu jeder Zeit deutlich, dass er Hitler, dessen Machenschaften
und Handlanger verachtet und das wiederum gefiel mir sehr gut.
Der
Autor schaffte es auch, auf wundersame Weise das kindliche Gemüt und
die Naivität der kleinen Liesel einzufangen. Die immer
wiederkehrende Frage nach dem „Warum?“ beantwortet er uns
nicht, aber die Frage nach dem „Wie?“ dafür sehr bildlich
und detailliert. So vollzog Liesel eine Entwicklung, die man keinem
Kind wünscht. Die Realität des Krieges, des Rassenhasses und der
Ideologie holten sie ein. Liesel verarbeitet das alles, indem sie
sich in Bücher und somit in Worten flüchtet. Eine schöne Stelle
ist diese, als sie all die gesagten Worte anzweifelt und deren Sinn
in Frage stellt. Es war ein ergreifender Moment als Dinge, die ihr
bisher Trost gaben, nun zu etwas Bösem wurden.
Es
waren aber die Worte, die ihr bei einem Bombenangriff das Leben
rettetet, während viele andere geliebte Menschen gehen mussten. Und
wieder schaute der Tod auf sie und man konnte sogar Mitleid
seinerseits erlesen. Erwartet man so etwas? Wohl kaum.
Aber
der Tag des Abschiedes vom Leben sollte auch für Liesel irgendwann
kommen und der Autor machte daraus ein Treffen zwischen Freunden, die
sich nun endlich gegenüberstanden. Sie beide unterhielten sich und
der Tod hatte ein Geschenk für Liesel, das er für sie in Gewahrsam
genommen hatte. Auch hier wurden meine Emotionen noch einmal tief
angesprochen.
Fazit:
Auch
wenn es sich hierbei um ein Buch aus der Jugendliteratur handelt,
sollte der Leser bereits eine gewisse Reife haben.
Ich
denke, dass dieses Buch noch in so mancher Deutschstunde auftauchen
wird und einige Kinder sich mit Interpretationen herumschlagen
müssen. Auch die Welt der Literaturwissenschaftler wird seine Freude
daran haben.
Sollten
wir 'normalen Menschen' dieses
Buch lesen?
Ja,
denn auch wenn ich schon einige Bücher über den Nationalsozialismus
gelesen habe, so konnte ich aus diesem Buch noch einmal viele weitere
Details heraus lesen, die direkt an der Basis passiert sind und das
aus einem außergewöhnlichem Blickwinkel.
Von
mir bekommt es 4 von 5 Sternen. Den letzten Stern vergebe ich nicht,
da mir an einigen Stellen die Emotionen gefehlt haben und
schreckliche Ereignisse nur am Rand erzählt wurden. Aber schließlich
war der Tod der Erzähler. Was erwarte ich denn? ;-)
****
Und
nun zum Film:
Wenn
es sich ergibt und ein Buch verfilmt wird, nehme ich die Gelegenheit
wahr und genieße beides.
So
war es schon im Der Vorleser von
Bernhard Schlink (Kate
Winslet in der Rolle der pädophilen KZ-Aufseherin war einfach
hervorragend.) oder in Der große Gatsby von
F. Scott Fitzgerald (Leonardo
Di Caprio glänzt hier in einer Paraderolle. Buch und Film liegen
sehr nah beieinander. Meiner Meinung nach hätte Leo dafür schon
einen Oskar verdient.), aber auch bei Shades of Grey von
E.L .James (Ein einfach nur ein schlecht recherchiertes Buch und der
blanke Hohn für die moderne, selbstbewusste Frau. Jamie Dornan
gleicht mehr einem Roboter als einem feurigem Liebhaber.).
Aber
heute geht es ja um die
Bücherdiebin. :-)
Mit
Sophie Nèlisse
als Liesel Meminger haben sie ja das perfekte, kleine, arische
Mädchen gefunden. Große, blaue Augen umrandet von blondem Haar
schauen mir aus dem Fernseher entgegen. Auch Nico
Liersch in der Rolle des
Rudi Steiner ist wunderbar besetzt.
Sophie
überzeugte mich mit ihrem schauspielerischem Talent. Ich sehe noch
immer die Szene, wie sie voller Inbrunst im Kinderchor der HJ
mitsingt.
Ich
sehe ebenfalls Nico als den Bengel der Zeit, wie er als Jesse Owens
die Bahn entlangsprintet oder sich beim Fußball auf der Straße mit
den Kameraden misst. Sehr gut gespielt.
Der
deutschen Erzählerstimme (der Tod) Ben Becker hingegen fehlte etwas.
Ich mag seine Stimme, aber in diesem Augenblick hatte es etwas von
dem Opa, der seinem Kind eine Weihnachtsmärchen erzählt. Ich denke,
das entspricht nicht dem gewünschten Effekt.
Der
Film war so wie so eher romantisch gehalten. So wurde die vulgäre
Ausdrucksweise der Rosa Hubermann verharmlost. Auch sah man sie nie,
wie sie Liesel mit dem Kochlöffel eine Watschen
(Abreibung/ Züchtigung)
gab. Oder wie sie Liesel dazu
nötigte, bei den Nachbarn die Wäsche zu holen und dabei den Sack ja
ordentlich zu tragen. Auch hat Rosa Liesel im Buch niemals in den Arm
genommen. Solche Zugeständnisse hat sie nicht gemacht, wo sie doch
stets und ständig damit beschäftigt war, die Menschen um sich herum
zu beschimpfen. Hier wollte der Regisseur wohl ihr ganz tief
verstecktes Herz zum Ausdruck bringen.
Hans
Hubermann hingegen wurde ganz gut dargestellt. Der Pflegevater, der
sich von Anfang an rührend um Liesel kümmert. Leider hat man auch
hier nicht gesehen, wie sie allabendlich aus Alpträumen hochschreckt
und er nächtelang an ihrem Bett verbracht hat. Die
Mitternachtsschule fiel gänzlich unter den Tisch. Zwar sah man als
Zuschauer, wie er ihr das Lesen beibringt, doch die Umstände wurden
nicht behandelt. Störend (wenn auch nur ein kleines Detail) fand
ich, dass Hans im Film für Liesel eine Kreidetafel im Keller
geschaffen hatte. Im Buch hat er die Wände nur weiß übermalt. Sie
hatten ja damals nichts anderes.
Nun
aber der größte Affront: Die Straßenschilder, Ladenschilder und
auch Plakate waren in deutscher Sprache. Die Bücher, die Liesel aber
las, waren englische. :-O Meine Güte, da ist ihnen aber ein
gewaltiger Fehler unterlaufen.
Weiterhin
habe ich mich noch über die Abschlussszene von Liesel und Rudi
geärgert. Da drückte der Regisseur noch einmal auf die Tränendrüse.
Das war aber völlig unnötig, weil das Geschehen an sich schon
schrecklich genug war.
Zu
guter Letzt beendet Ben Becker als Erzähler den Film.
Fazit:
Bitte
liebe Schüler, der Film hat nur wenig von dem Buch. Ihr bekommt dort
nicht die Aussagen, die ihr für eure Interpretation braucht.
An
alle anderen: Finger weg vom Film, Hände hin zum Buch. :-)