Freitag, 15. Dezember 2017

Türchen 15

Heute folgt das 15. Türchen des „Bücherblog-Adventskalender“´s und der 5. Teil der Geschichte.

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„Wo ist Alec?“, fragte Nate mich am Frühstückstisch.
„Ich glaube, er schläft noch.“, antwortete ich, während ich mein Croissant mit Butter beschmierte.
„Um diese Uhrzeit?“, fragte mein Vater schockiert.
Er drehte seine Armbanduhr in meine Richtung. Es war 9:24 Uhr am Samstagmorgen.
„Der Mann hat Urlaub, Connor. Lass ihn schlafen.“, gähnte meine Mutter.
Mein Vater brummte etwas unverständliches und widmete sich wieder seinem Kaffee.
„Ich gehe gleich mit Wilson spazieren. Kommst du mit?“, erkundigte Nate sich.
Ich sah hinaus in das wilde Schneetreiben. Meine Nackenhaare stellten sich bei dem Gedanken, hinaus in die Kälte zu müssen, unangenehm auf.
„Ich sehe lieber nach Alec.“, redete ich mich aus der Affäre.
Nate zuckte mit den Schultern, zwinkerte mir aber amüsiert zu, als er den Tisch verließ und sich auf die Suche nach dem alten Wilson machte. Meine Mutter drückte mir ein Tablett mit Frühstück für Alec in die Arme, als ich mich auf den Weg in mein Zimmer machte. Im Zimmer war es noch immer stockdunkel. Die Vorhänge verhängten immer noch die großen Fenster und verwehrten dem Licht den Eintritt. Leise stellte ich das Tablett auf den Kaffeetisch neben meinem Lesesessel. Die Tür knarzte erneut, als ich sie schloss. Ich biss mir verärgert auf die Unterlippe.
„Ich bin wach.“, kam ein dunkles Brummen vom Boden neben dem Bett.
Ich nahm das als Anlass, endlich die Vorhänge aufzuziehen. Helles Licht durchflutete das Zimmer. Alec bedeckte seine halbzugekniffenen Augen mit der Hand. Er saß in dem Deckenknäuel auf dem Boden und massierte sich mit der freien Hand den Nacken. Wahrscheinlich war die Nacht auf dem harten Laminat nicht gerade bequem gewesen. Aber die Alternative, dass er mit mir im Bett schlief, gefiel mir noch weniger, also wendete ich den Blick von seinem halbnacktem Körper ab und rührte in der Tasse Kaffee, die auf dem Tablett stand. Ich hörte, wie er ächzte, als er aufstand. Er kam zu mir, nahm sich ein Croissant und streckte sich ausgiebig. Ich schielte unauffällig zu ihm. Er war gut in Form. Für seinen Job musste er regelmäßig zum Sport und das machte sich bezahlt. Er kreiste mit dem breiten Schultern und knackte zweimal mit den Halswirbeln.
„Gut geschlafen?“, erkundigte ich mich beiläufig.
„Ich hatte schon schlimmere Nächte.“, erwiderte er kauend.
Ich ließ mich in meinen Sessel fallen und sah Alec dabei zu, wie er diverse Kleidungsstücke vom Boden aufsammelte und sie überstreifte.
„Haben deine Eltern heute irgendetwas geplant?“, fragte er mich, während er das rot-weiße Sweatshirt über den Kopf zog.
„Erst heute Abend. Den Rest des Tages kannst du verbringen, wie du möchtest.“, antwortete ich langsam.
Argwöhnisch kniff ich die Augen zusammen. Ich hatte ein ungutes Gefühl.
„Wie sieht es draußen aus?“, fuhr er fort und warf einen schnellen Blick hinaus in das Schneechaos.
„Kalt.“, antwortete ich knapp.
„Wollen wir in die Stadt? Ich muss noch ein paar Geschenke besorgen.“, schlug er vor.
Ich hob überrascht die Augenbrauen.
„Geh doch in die Stadt. Ich bezweifle, dass du da ohne Erfrierungen ankommst.“, sagte ich abweisend.
Er schlürfte an dem Kaffee. Alec ließ sich nie schnell aus der Ruhe bringen. Fast nie.
Als ich das Zimmer verlassen wollte, hielt er mich zurück. Über Nacht hatte sich ein dunkler Bartschatten auf seinem Gesicht gebildet. Sein Blick war wach und aufmerksam. Einzelne Haarsträhnen hingen ihm im markantem Gesicht und ließen es weicher und jungenhafter aussehen. Fast wie früher, als ich ihn kennengelernt hatte.
„Ich würde wirklich gern mit dir über die Sache reden, Sam. Aber nicht hier. Wir brauchen für das Gespräch neutralen Grund.“, sagte er. „Außerdem stehen hier zu viele Dinge, die mich ernsthaft verletzten könnten.“, fügte er lächelnd hinzu und drückte mir einen meiner Pokale in die Hand, die ich beim Hundesport gewonnen hatte.
Ich unterdrückte ein Lachen. Es wäre keine gute Idee, sich wieder mit Alec zu verbünden. Aber auch ich verspürte schon lange das Verlangen nach einem klärenden Gespräch. Bevor ich antworten konnte, ließen mich die lauten Stimmen unten aufhorchen. Auch Alec drehte neugierig den Kopf in Richtung Tür. Die Stimmen wurden durch das Holz der Tür gedämpft und das Gesagte wurde erst verständlich, als ich sie öffnete.
„- ist weg. Nur ein paar Sekunden habe ich nicht hingesehen, um mir den Schnee aus den Augen zu wischen und dann war er einfach weg.“, rief die aufgebrachte Stimme meines Bruders.
„Er wird schon nach Hause finden. Er lebt schon seit über zehn Jahren hier, Nathan.“, versuchte mein Vater ihn zu beruhigen.
„Es ist verdammt kalt draußen, Dad! Er schafft das nicht mehr in seinem Alter.“, beharrte Nate.
Erschrocken stürmte ich die Treppe hinunter. Alec folgte mir ohne zu zögern.
„Was ist passiert?“, fragte ich Nate eindringlich, als ich unten ankam und packte ihn unwirsch an den Schultern.
„Wilson. Ich habe ihn im Schnee verloren.“, antwortete Nate mir atemlos.
Entsetzt riss ich die Augen auf. Alec legte mir den Arm um die Taille. Er schüttelte mit ernstem Blick den Kopf.

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